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Straight Outta Compton

Sonntag, 16. August 2015 · Autor: Reiskorn

straight_outta_compton_sceneN.W.A. oder “The World’s Most Dangerous Group”, wie sie sich auch einst nannten, bekommen 27 Jahre nach ihrem wegweisenden Album nun ein filmisches Denkmal mit gleichem Titel spendiert. Als ausführende Produzenten fungierten u. a. mit Ice Cube und Dr. Dre zwei der wichtigsten ehemaligen Mitglieder der Gruppe.

Vordergründig handelt es sich bei “Straight outta Compton” natürlich um ein Musik-Biopic, das Aufstieg und Fall der legendären Rapgruppe nacherzählt. Viele Episoden und Elemente sind daher schon längst auch aus anderen Filmen bekannt: Die freudig-naive Genese, der Erfolg, die internen Zerwürfnisse, windige Geschäftsmänner. Regisseur F. Gary Gray spannt einen breiten und strikt chronologischen Bogen über die üppigen 150 Minuten Laufzeit und trotz einem vertrauten Story-Verlauf gelingt es ihm insbesondere in der ersten Hälfte, seine Figuren und ihr ihnen innewohnendes Feuer mit Verve und liebevoll detailliertem Blick auf soziale und kulturelle Milieus der 80er Jahre darzustellen. Dabei setzen Aufnahmesessions und Rapperformances wie erwartet Highlights – die Lust am Produzieren ist ansteckend, die Raps und die damit transportierten Worte erklingen im Kinosaal mit einer solch überwältigenden Macht wie seit 1988 nicht mehr.

Die jungen Nachwuchsschauspieler tragen erheblich dazu bei, dass “Compton” einen bleibenden Eindruck hinterlässt: Ice Cube wird dabei von seinem eigenen Sohn O’Shea Jackson Jr. gespielt – und der ist seinem Vater nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten. Dessen Stimme, Mimik und Gestik hat er bis zur Perfektion abgeschaut, gleichzeitig überzeugt er mit einem aufrichtigen Zorn, der schon damals die Karriere seines Vaters vorangetrieben hat. Jason Mitchell als Eazy-E verkörpert seine Rolle hingegen mit großer Intensität und verleiht in den besten Momenten seiner Rolle mit nur einem fokussierten Blick enorme Bedrohlichkeit – mit diesem Giftzwerg will man sich nicht anlegen. Da kommt auch Corey Hawkins als Dr. Dre nicht mehr ganz mit. Doch auch er kann Dr. Dre überzeugend verkörpern. Die weiteren Mitglieder MC Ren und DJ Yella sind hingegen ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit entsprechend auch hier nur Nebenfiguren.

Doch rundum perfekt ist “Compton” nicht. Paul Giamatti liefert als windiger Manager eine wie immer klasse Performance ab, aber die Figur an sich ist im Grunde als reines Klischee angelegt und muss für einige altbackene Banalitäten über die Gefahren des Musikbusinesses herhalten. Und obwohl der immense Umfang der Erzählung prinzipiell zu begrüßen ist und Gray und seine Autoren das Schicksal der Gruppenmitglieder Post-N.W.A. ausgiebig wiedergeben, machen sich insbesondere in der zweiten Hälfte einige Längen und dramaturgische Wiederholungen breit. Größere Zeitsprünge machen sich ebenfalls bemerkbar, die zwar jemand durchaus nachvollziehen kann, der ein wenig in der Materie steckt – HipHop-fremde Personen könnten mit vielen nebenbei angerissenen Meilensteinen und Eckpunkten jedoch überfordert sein bzw. diese schlichtweg nicht wahrnehmen. Die Krux ist, dass dem Film in dieser Phase die ein oder andere Straffung durchaus gut getan hätte – und er trotzdem eigentlich aufgrund der Fülle an Material, die man aus gleich mehreren Künstler-Biographien vorliegen hat, wiederum noch viel länger sein müsste. Ein Problem an denen allerdings nahezu alle Biopics kranken.

Trotz dieser Kritikpunkte vermittelt “Straight Outta Compton” einen emotionalen Einblick in das teilweise tragische Scheitern einer der explosivsten Musik-Acts der neueren Musikgeschichte. Die dargestellten Momente von Polizeigewalt, die Ausschreitungen im Stadtteil Watts von Los Angeles 1992 und die damit eng zusammenhängenden wütenden Inhalte der Liedtexte, verleihen dem Film außerdem eine zusätzliche Dimension, die über die Musiker-Biographie weit hinausgeht und vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse wie die in Ferguson erschreckend auf das Heute zeigt: straight_outta_compton_coverDie schon damals angeprangerten Missstände sind immer noch vorhanden und die Notwendigkeit des künstlerischen Ausdrucks darüber so wie die Lyrics selbst haben noch immer brisante Relevanz. “Straight Outta Compton” wird damit zum richtigen Film zum genau richtigen Zeitpunkt.

Zusätzliche Informationen zum Film

Originaltitel: Straight Outta Compton Land: USA Jahr: 2015 Regie: F. Gary Gray Darsteller: O’Shea Jackson Jr., Corey Hawkins, Jason Mitchell, Paul Giamatti Weitere Infos: IMDB, Amazon

Redaktion:
★★★★★★★★☆☆ 

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