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John Wick: Kapitel 3

Dienstag, 14. Mai 2019 · Autor: Reiskorn

john_wick_kapitel_3_sceneDer dritte Teil einer Filmreihe sei in der Regel immer der schlechteste, heißt es sinngemäß nicht ganz unironisch in „X-Men: Apocalypse“. Und in der Tat, abgesehen von der ein oder anderen Ausnahme scheint tatsächlich schon seit langem ein entsprechender Konsens unter Filmfreunden vorzuherrschen. Von daher durfte man schon ein wenig skeptisch sein, als ein dritter „John Wick“-Film angekündigt wurde. Sind denn die Zutaten aus eleganten Ballereien und ruppigen Zweikämpfen nicht schon zu sehr vertraut, um noch interessant zu sein? Und ist nicht auch Hauptdarsteller Keanu Reeves langsam ein wenig zu alt, um derlei Szenen noch effektiv zu spielen? Nein und nochmals nein! „John Wick: Kapitel 3“, so der offizielle Titel, ist eine konkurrenzlose Tour de Force!

Die Handlung setzt dabei unmittelbar nach den Geschehnissen des zweiten Teils ein: John Wick (Reeves) bleiben nur noch wenige Minuten, bis die ihm gewährte Aufschubfrist abläuft und er dann für ein Kopfgeld von 14 Millionen US-Dollar zum Abschuss freigegeben wird. Schwer verwundet schleppt er sich durchs verregnete New York, um nur wenig später die ersten Wellen an Angreifern abzuwehren. Doch das kann kein Dauerzustand bleiben und in seiner Verzweiflung wendet sich John an eine alte Bekannte, die ihn außer Landes schaffen soll. Sein Ziel: Den mächtigsten Mann der internationalen Unterwelt ausfindig zu machen, um ihn um eine zweite Chance aufs Leben zu gewähren. Sein Ersuchen wird aber Opfer fordern – und in dieser Welt ist die einzig wahre Währung Blut…

Mehrfach Szenenapplaus; Gelächter, nicht weil das Geschehen so lustig oder schlecht sei, sondern weil es den Verstand zum Explodieren bringt, Ausrufe der Begeisterung, Überraschung, auch des Ekels, Schweiß auf der Stirn dieses Autors – und das allein in den ersten fünf bis zehn Minuten. Regisseur Chad Stahelski vergeudet jedenfalls keine einzige Sekunde und wirft seinen Protagonisten gleich zu Beginn in ein Blutbad, mit dem andere Filme als Höhepunkt enden würden.

Dabei wird schnell klar: In „John Wick 3“ geht es schneller, kreativer und um ein Vielfaches härter zu als in den vorherigen zwei Teilen. Wenngleich das Werk dieses Tempo zugunsten der Erzählung nicht permanent hochhalten kann und muss, aber wann immer sich der Held bösen Buben konfrontiert sieht, fliegen die Fetzen – und dann werden reichlich Kehlköpfe zertrümmert, Knochen gebrochen und Köpfe zu Brei geschossen. Die schiere Menge an Leichen ist beeindruckend und darüber hinaus reicht es auch längst nicht mehr, effizient zu sein.

Stattdessen folgen einem Kopfschuss oftmals noch mindestens vier weitere in die gleiche Rübe und Messer werden wiederholt mit voller Wucht in die schon leblosen Körper gerammt. Verwackelt ist hierbei nichts und auch weggeschnitten wird nicht, wodurch die ganze blutige Konsequenz der Gewalt von Anfang bis Ende im Bild durchgespielt wird. Gewaltquantität und -qualität haben einen „gewaltigen“ Sprung nach vorne gemacht und sorgen so für den Overkill der Leinwand, bei dem Freunde des besonders ausführlichen Kinomordens voll auf ihre Kosten kommen werden. Andere aber könnte dieser Frontalangriff auf Dauer ermüden.

Das Gezeigte als plump und stupide zu bezeichnen wird der Sache aber nicht gerecht. Denn dazu ist einfach ein viel zu hohes Talentniveau auf allen Ebenen an der Erschaffung dieser mitreißenden, höchst kinetischen Orgie aus (CGI-)Blutfontänen und umherwirbelnden Personen beteiligt, dass man ruhigen Gewissens von echter Handwerkskunst sprechen kann. Erneut setzen Stahelski und sein Kameramann Dan Laustsen auf übersichtliche Kameraeinstellungen, die weit genug von der Action entfernt sind, um diese in all ihrer Pracht einzufangen und durch die bereits erwähnte niedrige Schnittfrequenz beeindrucken die zur Schau gestellten, körperlichen Fähigkeiten der Stars und Stuntleute umso mehr, da man ihnen konkret bei ihrer Arbeit zuschauen kann. Ganz klar, inszenatorisch ist hier weniger deutlich mehr.

Die Kampfchoreographien überraschen ein ums andere Mal, bei denen auch die nähere Umgebung und gewöhnliche Gegenstände in das bunte Treiben eingebunden werden und insgesamt haben sie gefühlt auch deutlich in der Anzahl zugelegt. Deren Wucht sucht im Hollywood-Mainstream ihresgleichen und dafür sorgen dann so berühmt-berüchtigte Actiondarsteller wie Cecep Arif Rahman, Yayan Ruhian (beide aus dem „The Raid“-Franchise) oder der legendäre Mark Dacascos. Aber natürlich zeigen sich auch die Stars wie Reeves und Halle Berry in absoluter Topform. Dazu kommen außerdem die schon aus den Vorgängern so bekannten, dynamischen Ballereien und die neuen tierischen Co-Stars entwickeln sich auch schnell zu echten Szenendieben. Man muss einfach anerkennend festhalten, dass „John Wick 3“ an der reinen Actionfront ein echtes Meisterwerk ist.

Erwartungsgemäß muss man allerdings erneut einige Abstriche in der Handlung in Kauf nehmen. Die „John Wick“-Trilogie nahm ja bekanntlich mit einer dermaßen simplen, geradezu hanebüchenen Prämisse ihren Anfang, dass diese selbst schon einen gewissen Kultfaktor besitzt. Trotzdem faszinierte die in den Filmen entworfene Parallelwelt der Profikiller mit ihren ganz eigenen Regeln und grundsätzlich taten Stahelski und Drehbuchautor Derek Kolstad sehr gut daran, diese in den späteren Filmen auszubauen.

Auch im dritten Film wird das Universum erweitert und zusätzlich werden auch neue Hintergründe zum Titelhelden selbst geliefert. Auf deren zumindest leicht entmystifizierenden Qualitäten hätte man aber getrost verzichten können und de facto dienen sie lediglich als Plotwerkzeug, um eine andere neue Figur kurz ins Spiel zu bringen. Wirklich neue Facetten ringen die Wick aber nicht ab, zumal er sich auch nicht nennenswert mit ihnen auseinandersetzt. Das ihn umgebende Rätsel und die Legenden, die man sich von ihm über seine früheren Jahre als Auftragskiller erzählte, waren schon ausreichend und der Plot über die Jagd auf ihn hätte auch ohne angedeutete Ursprungsgeschichte genug Bewegung, um die Erzählwelt an sich zu erweitern. In diesem Zusammenhang ist auch Halle Berrys Rolle bedauernswert klein geraten: Klar, sie darf in einer großen, fulminanten Actionszene zeigen, was sie draufhat und dabei macht sie eine umwerfend gute Figur (neben den unfassbar tollen Hunden). Nach kurzer Zeit verabschiedet sie sich aber wieder von der Leinwand und dann wird klar, dass auch sie nur eine Zwischenstation für John Wick darstellt und nicht viel mehr.

Ob die übrigen, inhaltlichen Neuerungen so viel gewinnbringend sind, ist durchaus diskutabel. Einmal mehr werden neue Erkenntnisse zum im Hintergrund agierenden High Table geliefert und vor allem darüber, wie er operiert. Neue Aspekte werden eingeführt und man fühlt sich durch sie an Regeln und Rituale realer Verbrecherorganisationen wie der japanischen Yakuza erinnert – so weit, so gut. Andere Facetten sind aber nicht nur weniger spannend, sondern regelrecht albern, auch für die ohnehin schon überhöhte Welt von „John Wick“. Immerhin ist Teil drei nicht nur der härteste, sondern überraschenderweise auch der lustigste Eintrag in der Reihe und das ist auch absolut positiv gemeint. Die betont zur Schau gestellte Förmlichkeit vieler Figuren wirkt im Kontext von Tod und noch mehr Tod wie großartig furztrockener Humor, ohne dabei dem Rest des Films in die Quere zu kommen. Am Ende des Tages darf man aber über die erzählerischen Schwächen getrost hinwegsehen, denn dafür passt john_wick_kapitel_3_coveralles andere an diesem Werk, das beweist: Der dritte Teil kann auch der beste einer Reihe sein.

Fazit: Blöde Story – aber egal! „John Wick: Kapitel 3“ ist ein orgiastisches Actionfest, das den Zuschauer mit Bluthochdruck zurücklässt. Famos!

Zusätzliche Informationen zum Film

Originaltitel: John Wick: Chapter 3 – Parabellum Land: USA Jahr: 2019 Regie: Chad Stahelski Darsteller: Keanu Reeves, Halle Berry, Ian McShane, Laurence Fishburne, Marc Dacascos Weitere Infos: IMDB

Redaktion:
★★★★★★★★☆☆ 

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