Personal Shopper
Zwischen Regisseur Olivier Assayas und Schauspielstar Kristen Stewart ist eine transatlantische Arbeitsbeziehung entstanden, die sich wirklich sehen lassen kann. Schon für “Die Wolken von Sils Maria” kollaborierte man erfolgreich, wobei Stewart sogar als erste US-Amerikanerin den französischen César als besten Nebendarstellerin gewann. Für “Personal Shopper” haben die zwei erneut unter einer Decke gesteckt.
Für seinen neuen Film steckte Assayas seine Nase gleich in mehrere Genres, zwischen denen er spielerisch hin und her wechselt, ohne dass es zu allzu großen tonalen Brüchen kommt. Die von Stewart verkörperte Maureen versteht sich selbst als Medium, das mit der Geisterwelt in Kontakt treten kann und auch tritt. In diesen Szenen wird ganz klar dem Horror gefrönt, ohne jedoch auf billige Schocks zu setzen. Bisweilen weiß Assayas die Spannung zwar ordentlich anzuschrauben, nur um die Erwartungshaltung des Zuschauers zu unterlaufen, was allerdings nicht etwa für Erleichterung sorgen würde. Eher bleibt eine unangenehme Ungewissheit, die nachhallt. Später werden Thrillerelemente eingewoben, wenn Maureen Textnachrichten von einer unbekannten Person erhält und sie in einen Mordfall verwickelt wird und all diese spannenden und rätselhaft-unheimlichen Elemente werden mit einem einfühlsamen Charakterporträt vermengt. Denn im Kern steht eine junge Frau, die von großer Trauer über den Verlust ihres Bruder erfüllt ist und versucht, damit umzugehen und sich gleichzeitig wünscht, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.
Das Thema der Geisterwelt wird nebenher sachlich und fast schon intellektuell um Informationen aus der (Kunst-)Geschichte angereichert. Derlei Wissen würde in einem Horrorfilm dazu benutzt werden, um die Bedrohung noch greifbarer oder gar noch unheimlicher darzustellen, aber bei Assayas wird daraus eher eine Reflexion über die Mechanismen klassischer Horrorelemente an sich.
Stilistisch sieht das alles wunderbar aus, wobei die oftmals langen Tracking-Shots auffallen, bei denen die Kamera Stewart bei ihren Handlungen auf Schritt und Tritt folgt. Apropos Stewart: Erneut liefert sie für Assayas eine formidable Darbietung ab, die sich sogar bis auf ihre einzelnen Finger niederschlägt. Wenn die seltsamen Textnachrichten eines unbekannten Absenders ihren Lauf nehmen, dann treibt es das Drehbuch vielleicht etwas zu weit damit. Trotzdem wird nicht nur über die vielen eingeblendeten Sätze auf dem Handydisplay etwas über Maureen vermittelt, sondern auch in der Art und Weise, wie sie diese tippt. Stewarts Daumen zittern unentwegt, die Finger sind oft zögerlich und unentschlossen, welche Taste als nächstes gedrückt werden soll.
Was “Personal Shopper” dem Zuschauer nur noch schuldig bleibt, sind Antworten auf die vielen Fragen, die während der gesamten Laufzeit aufkommen und erst recht nach dem überraschenden Ende zunehmen werden. Zu einem endgültigen und befriedigenden Ergebnis soll hier jedenfalls niemand kommen, die Tür für Interpretationen ist weit geöffnet. Vielleicht mag das dem ein oder anderen nicht reichen, so allein gelassen zu werden. Doch ganz gleich, ob man für sich selbst eine stimmige Theorie zusammenzimmert oder nicht – wie gut, dass der Film auch so schon gut ist.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Personal Shopper Land: Frankreich, Deutschland Jahr: 2016 Regie: Olivier Assayas Darsteller: Kristen Stewart, Lars Eidinger, Sigrid Bouaziz Weitere Infos: IMDB, Amazon
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