L’eclisse
Der deutsche Titel “Liebe 1962″ ist ein wenig irreführend, denn natürlich geht es Antonioni um mehr als romantische Gefühlswallungen oder verspielte Geschlechterkonflikte. Als der brilliante Zeitgeistdiagnostiker, der er war, bedient er sich einer im Grunde trivialen Beziehungsgeschichte, um ein Menschsein zu reflektieren, das seine alten Bezugspunkte verloren und noch keine neuen gefunden hat. Sein Resümee fällt äußerst pessimistisch aus: “L’eclisse”, die Finsternis, als Gegenwartsbeschreibung. Antonioni zeigt: unbeholfene Liebesversuche zwischen abweisenden römischen Vorstadtbauten. Treueschwüre, die nichts taugen. Lust auf Exotik, die sich in albernen Tänzchen erschöpft. Menschen, die Geld über andere Menschen stellen. Und sich Versprechen geben, die sie nicht halten. Zuletzt: ein Rendevouz, zu dem keiner kommt. Andere Filme hätten ihre Zuschauer an dieser Stelle längst in den Abspann entlassen, doch Antonioni lässt die Kamera einfach weiterlaufen. Zeigt den verabredeten Treffpunkt, Passanten, Rasensprenger, Häuserfronten, spielende Kinder, ein Stück Holz, das in einer Wassertonne schwimmt. Bis sich die Sonne verdunkelt – und nur noch grelles, kaltes Kunstlicht die Szenerie erhellt. Ein so rätselhafter wie vielsagender Abschluss für eine der wegweisendsten Trilogien der Filmgeschichte, auch wenn “L’eclisse” verglichen mit “L’avventura” und “La Notte” aufgrund der ein oder anderen Länge etwas abfällt.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: L’eclisse Land: Italien, Frankreich Jahr: 1962 Regie: Michelangelo Antonioni Darsteller: Alain Delon, Monica Vitti, Francisco Rabal Weitere Infos: IMDB, Amazon
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