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Jîn

Dienstag, 12. März 2013 · Autor: Reiskorn

jin_scene“Jîn” ist einer der am schönsten fotografierten Filme, die man dieses Jahr auf der Berlinale zu Gesicht bekam. Lange und zahlreiche Einstellungen von beeindruckenden Berg- und Waldgebieten verwöhnen das von grauen Handkameras strapazierte Auge. Grund für diesen Augenschmaus ist die titelgebende Hauptfigur: Jîn ist ein kurdisches Mädchen, dass sich in den Gebieten der Türkei, in denen sich Kurden und Türken seit über 30 Jahren heftigst bekriegen, aufhält; erst als Mitglied einer Guerillatruppe, dann alleine. So durchquert Jîn Kilometer für Kilometer in der Natur, aufwärts, abwärts und stets zu Fuß, eine scheinbar nicht enden wollende Kondition stellt die Heldin dabei unter Beweis. Hier liegen auch die größten Stärken und Schwächen des Films. Wie schon erwähnt, kann man sich an den äußerst gelungenen Aufnahmen regelrecht laben, doch bisweilen erhält man den Eindruck, dass scheinbar nichts auf dem Schneidetisch liegengeblieben ist. Regisseur Reha Erdem hat sich wohl in diese Einstellungen verliebt und so macht sich auch die eine oder andere Länge deutlich bemerkbar. Sinnlos ist das jedoch nicht, die Natur erweist sich als eine Art Figur, als Zufluchtsstätte für Jîn ist sie zentral und sie scheint auch ein Eigenleben zu besitzen. Denn hin und wieder trifft Jîn auf Tiere, denen sie zaghaft näherkommt, ehe sich die Wege wieder trennen. Freundlich gesonnene Botschafter, die ihr ihren Segen zu geben den Eindruck vermitteln, aber ultimativ nichts ändern können. Im starken Kontrast die Menschen und insbesondere die Männer: Ihnen ist Jîn an mancher Stelle ausgeliefert und man(n) versucht, über sie herzufallen oder sperrt sie ins Gefängnis. Paralell dazu hat sie vorher ihre Guerilla-Uniform gegen die geklauten Sachen eines fremden Mädchens ausgetauscht. So wird aus der Kämpferin mit AK-47 ein gewöhnliches Mädchen, auf das man sein gieriges, machtlüsternes Auge werfen kann – jedoch nur vorübergehend. In der Natur selbst ist ihr ein weitestgehend unsichtbarer Krieg auf den Fersen, immer wieder wird die Stille jin_coverdurch das Rattern von MGs durchbrochen und sie entkommt dem Tod nur knapp. Am Ende bleibt jedoch nur die eine Erkenntnis: Der Krieg macht vor niemandem halt, jeder wird Kämpfer und Opfer, egal ob verdientermaßen oder ob man selbst das genaue, gnädige Gegenteil verkörpert – wie Jîn.

Zusätzliche Informationen zum Film

Originaltitel: Jîn Land: Türkei, Deutschland Jahr: 2013 Regie: Reha Erdem Darsteller: Deniz Hasgüler, Onur Ünsal, Yildirim Simsek Weitere Infos: IMDB

Redaktion:
★★★★★★★★☆☆ 

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Leser: 10.0/10 (1 Bewertung eingegangen)
Jîn, 10.0 out of 10 based on 1 rating

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