I, Olga Hepnarova
Der Eröffnungsfilm der Panorama-Sektion bei der diesjährigen Berlinale erzählt die wahre Geschichte von Olga Hepnarova, der letzten Frau in der tschechischen Geschichte, die hingerichtet wurde. In tristem Schwarz-Weiß gefilmt, nimmt sich der Film einige Zeit, seiner Protagonistin auf dem Weg ins Verderben zu folgen. Dabei dominieren ruhige Einstellungen die Inszenierung, ein Filmscore existiert nicht.
Zu Beginn ist es spannend, die Figur der Olga kennenzulernen. Rebellisch und eigensinnig, wird sie Opfer von Schikanen in einem Heim und auch Missbrauch in der Familie wird zumindest vage angedeutet. Bis zu diesem Punkt schaut man ihrem Treiben gebannt zu, aber mit fortlaufender Zeit driftet der Film ein wenig ab. Längen machen sich breit, weil man der Titelheldin gefühlt ein wenig zu oft beim deprimiert einsamen Herumlungern beobachtet. Ebenfalls problematisch ist, dass der Film viel Zeit darauf verwendet, Olga dabei zeigt, wie sie sich in Gruppen einzufügen versucht, ihre lesbische Ader voll auslebt und dabei sogar forsch und extrem
selbstbewusst zu Gange geht und wie sie diverse Jobs bekommt und wieder los wird. Man mag in der Phase eine Coming-of-Age-Geschichte in trister Optik sehen. Aber wenn Olga am Ende mehrere Menschen überfährt und sie anschließend vor Gericht behauptet, dass sie ein Zeichen gegen eine gleichgültige Gesellschaft setzen wollte, in der sie Opfer von Mobbing und dergleichen wurde, dann hat es der Film bis dahin versäumt, ihre psychischen Abgründe in der Gänze zu erforschen. Redet sie also davon, dass sie sich wie ein Außenseiter gefühlt hat, so hat man sie zuvor oft in Begleitung und bei zwischenmenschlichen Interaktionen gesehen. Eine verzerrte Wahrnehmung muss man als Zuschauer interpretieren, aber zumindest filmisch und erzählerisch bleiben die Hinweise über weite Strecken aus. Der Weg von der Verhaftung hin zu ihrer Exekution ist wiederum spannend: Wenn Olga von Gutachtern ausgefragt wird, hofft man insgeheim, dass diese junge Frau sich vielleicht doch noch als unzurechnungsfähig outet und ihr Urteil abwenden kann und auch eine Begegnung mit ihrer Mutter geht an die Nieren. Am Ende dämmert es ihr und sie lässt einen markerschütternden Schrei aus und muss zu ihrer Hinrichtung gezerrt werden – in dem Moment gefriert das Blut in den Adern.
Hauptdarstellerin Michalina Olszanska als Olga ist eine Entdeckung, von der hoffentlich in Zukunft noch viel zu sehen sein wird. “I, Olga Hepnarova” ist ein streng und spartanisch inszeniertes Biopic mit gutem Anfang und Ende, aber einem Mittelteil, der sich zieht und scheinbar den falschen erzählerischen Fokus wählt.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Já, Olga Hepnarová Land: Tschechien, Polen, Slowakei, Frankreich Jahr: 2016 Regie: Petr Kazda, Tomás Weinreb Darsteller: Michalina Olszanska, Martin Pechlát, Klára Melísková Weitere Infos: IMDB
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