Die Brüder Karamasow
Man will gar nicht so recht glauben, dass dieser Streifen 1970 sogar für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert war. Aus dem vielschichtigen Roman von Fjodor M. Dostojewksi hat Regisseur Iwan Pyrjew einen sage und schreibe dreieinhalb Stunden langen, fürchterlich zähen Film gemacht, der mindestens 20 Jahre älter wirkt, als er tatsächlich ist. Die Schauspieler agieren durch die Bank theatralisch überzogen, ihre Dialoge mögen werkgetreu sein, machen in der Art Ihrer Darstellung allerdings einen sehr gestelzten, aufgesetzten Eindruck. Und das, wo ausgerechnet die zahllosen Gesprächszenen die treibende Kraft des Films sind. Wenn sich hier einmal jemand irgendwohin bewegt, dann von Diskussionspunkt 1 zu Diskussionspunkt 2 – zeitweise wirkt der Film dadurch fast schon wie ein aufgeblasenes Kammerspiel. Wie es anders hätte gehen können, zeigt Pyriew kurz vor dem Ende, wenn er sich wenigstens einmal aus der traditionellen Erzählperspektive herauswagt und einen inneren Konflikt als Gespräch mit dem Teufel bildlich darstellt. Davon abgesehen kann seine Verfilmung der literarischen Vorlage zu keinem Zeitpunkt gerecht werden. Die Geschichte der vier ungleichen Brüder, von denen einer zum Vatermörder wird, kommt bei ihm über Dorftheaterniveau nicht hinaus. Von der zweiten Deutungsebene einmal ganz zu schweigen, auf der die Karamasows zusammengenommen für das von Religiosität, Nihilismus und emotionaler Raserei geprägte Russland des 19. Jahrhunderts stehen.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Bratya Karamazovy Land: Sowjetunion Jahr: 1969 Regie: Iwan Pyrjew Darsteller: Michail Uljanow, Andrej Miagkow, Lionella Pyryeva, Kirill Lavrov, Mark Prudkin Weitere Infos: IMDB, Amazon
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