Der Mann mit der Narbe
Ein Film noir aus der ersten Riege ist “Der Mann mit der Narbe” zwar nicht, macht als Genrevertreter der “Goldenen Ära” aber trotzdem einen sehr kompletten Eindruck. Der ungarische Regisseur István Székely dimmt die Moral sogar so weit runter, dass die Menschen das Verbrechen in ihrer Mitte schon gar nicht mehr bemerken – oder ihnen seine Existenz schlicht egal ist. [enthält Spoiler] Ganz in diesem Sinne spielt die Polizei überhaupt keine Rolle, “ermittelt” wird hier nämlich rein unterwelt-intern. Im Fadenkreuz: der Kleinganove John Muller (Paul Henreid), der ein illegales Casino des organisierten Verbrechens überfallen hat und nun in Los Angeles untergetaucht ist. Durch einen Zufall wird er auf einen dort lebenden Doppelgänger, den angesehenen Psychoanalytiker Dr. Bartok, aufmerksam, bringt den Mann kurzerhand um die Ecke, verpasst sich noch die markante Gesichtsnarbe des Mordopfers und versucht seinen Häschern demnach zu entwischen, indem er einfach in ein fremdes Leben schlüpft. Der Plan funktioniert besser als geglaubt, sein abgebrochenes Psychologiestudium spielt dem Flüchtigen in die Karten. So reden die Patienten sich einfach weiter ihre Problemchen von der Seele, eine Affäre zwischen Doktor und Vorzimmerdame wird nahtlos fortgesetzt – sogar die überraschend auftauchende Ehefrau, hier wird’s dann doch etwas cheesy, riecht den Braten nicht. Mehrmals steht Muller kurz vor der Enttarnung, doch weil der Mensch nun mal ein verworfenes Geschöpf ist, kommt er immer wieder durch. Mal wird er bewundert, mal geliebt, moralische Komplikationen spielen hier wie gesagt eine untergeordnete Rolle. Zuletzt ist es aber immer noch “a bitter little world full of sad surprises” und der Identitätsbetrüger bekommt in einem Finale am Hafen seine eigene Medizin zu schmecken. Liebe, Bewunderung, die eigene Gewieftheit –
mit einem Schuß ist das alles weg, am Ende stolpern Passanten gleichgültig über die hingestreckte Leiche auf dem Kai. Auch wenn die Glaubwürdigkeit bisweilen etwas überstrapaziert wird: ein sehenswerter Low-Budget-Thriller alles in allem, so noir wie nur irgendwas und vom großen John Alton in gewohnt gute Bilder gebannt.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Hollow Triumph Land: USA Jahr: 1948 Regie: István Székely Darsteller: Paul Henreid, Joan Bennett, Eduard Franz Weitere Infos: IMDB, Amazon
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