Death by Hanging
Nagisa Ôshimas Werk von 1968 ist eine recht zwiespältige Angelegenheit, denn bei aller Intelligenz ist er auch unfassbar nervig, lang und manchmal sehr plakativ. Doch der Reihe nach: Das interessante an “Death By Hanging” ist, dass die Geschichte des Filmes davon handelt, dass eine Geschichte gespielt wird. Nach einer misslungenen Exekution und der anschließenden Amnesie des Angeklagten, versuchen alle Beteiligten ihr Gedächtnis durch Rollenspiele aufzufrischen, denn es kann nur der hingerichtet werden, der sich seiner Taten und seiner Schuld wirklich bewusst ist. Die Rollenspiele sind herrlich albern und die Geschichte selbst in der Filmwelt als solche zu präsentieren gibt dem Film eine doppelte, selbstreferenzielle Ebene und das nahezu über die gesamte Länge. Alle spielenden Figuren nehmen also absichtlich eine weitere Rolle an. Rassistische, wie auch dann japan-kritische Töne werden mit der Zeit laut und sind in ihrer Direktheit wirklich plakativ, wobei die rassistischen Äußerungen der Japaner gegenüber Koreanern als Kritik an Japans Haltung eben gegenüber Korea verstanden werden können. Das ist freilich höchst unsubtil und wird einem regelrecht mit dem Holzhammer eingetrichtert. Jedoch wird das Ganze mit der Zeit zunehmends konfuser, wenn die an sich im Film imaginierte Handlung (die eigentlich nur die Straftaten nachzeichnen sollte) plötzlich einen solchen Sog auf seine Protagonisten ausübt, dass diese anfangen sich in ihr völlig zu verlieren und die Grenzen zwischen Realität und Einbildung verwischen, weil diese anfangen, Dinge zu sehen, die es scheinbar gar nicht gibt. Dabei lässt der Film seine verschiedenen Figuren häufig sich widersprechende Sätze äußern, mal ist das Alles eingebildet, mal ist dieses und jenes real und als Zuschauer wird man nur so in die Irre geführt. Eine möglich Lesart wäre vielleicht, den ganzen Film als Ereignis in einer Art Jenseits anzusehen, aber nun gut, dass muss jeder mit sich selbst ausmachen. Der Film thematisiert weiterhin die Todesstrafe, der er kritisch gegenüber steht, während er den Zuschauer direkt als Teilnehmer der Exekution anspricht und entlarvt – nur fragt man sich, wann man sich denn je während des Films so einbezogen hätte fühlen können, dass diese Behauptung letztendlich Sinn machen würde (abgesehen davon, dass man den Film als solches sieht). Der Film ist zudem höchst unruhig: Es ist kein Actionfilm, kein wirkliches Drama und dennoch vergeht nicht mal eine gefühlte Sekunde, ohne dass irgendjemand in scheinbar hysterischer Art und Weise ununterbrochen Sätze von sich gibt, was auf die ca. 117 Minuten gedehnt, sehr schwierig zu ertragen ist. Als Krönung erscheint diese Länge auch noch unendlich; mehrmals beschleicht einem das Gefühl, dass man jetzt die Schlusseinstellung sieht, nur um dann zu sehen, dass der Film weitergeht und sich die Figuren in scheinbar gesprochenen Endlosschleifen befinden, deren Bedeutung sich irgendwann verliert. “Death By Hanging” ist intelligentes, anspruchsvolles Kino, das auf mehreren Ebenen funktioniert und zahlreiche Themen verarbeitet und dennoch auch ganz klar ein klassisch-klischeehafter Vertreter eben jener Filme ist, bei der nahezu jeglicher Unterhaltunsgwert eben dieser Intelligenz zum Opfer fallen muss und somit das Vorurteil bestätigt, dass per se anspruchsvolle, komplexe Filme schlichtweg langweilig und nervig sind.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Kôshikei Land: Japan Jahr: 1968 Regie: Nagisa Ôshima Darsteller: Kei Satô, Fumio Watanabe, Toshirô Ishidô Weitere Infos: IMDB
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