Das weisse Band – Eine deutsche Kindergeschichte
Herzenskälte, Tugendterror, Doppelmoral und autoritäres Gebell beherrschen das vordergründig so idyllische Örtchen Eichwald in den Monaten unmittelbar vor Ausbruch des 1. Weltkriegs. Im Pfarrhaus hallt es von allen Wänden, wenn der sittenstrenge Dorfprediger seinen Nachwuchs zur Raison prügelt. Der Herr Doktor befingert seine Tochter und treibt es zwischendurch auch gerne mal mit der Dorfhebamme. Deren behinderter Sohn wird derweil von Unbekannten schlimm zugerichtet und teilt sich dieses Schicksal mit dem Buben des Gutsherrn. Doch natürlich ist “Das weiße Band” kein Landmelodram, es geht Haneke um wesentlich mehr: um die Aufdeckung gesellschaftlicher Mechanismen. Um den Nährboden, auf dem später der Faschismus wachsen und gedeihen konnte. Heute für’s Onanieren die Rute bekommen, morgen im Stechschritt gegen den Iwan ins Feld ziehen – so funktioniert Geschichte bei Michael Haneke. Wie so oft ist er auch hier ausgesprochen manipulativ. Die bedrückenden Ereignisse werden extrem verdichtet dargestellt, einzelne Szenen unvermittelt abgebrochen – der Zuschauer wird sich seinen Teil ja schon denken. Von diesen ärgerlichen Vereinfachungen einmal abgesehen (wurden die späteren Opfer und Bekämpfer des Hitlerregimes denn anders erzogen?) hat “Das weisse Band” durchaus seine Reize. Die Schauspieler, auch die Kinder, sind durch die Bank überragend, die satten Schwarzweißbilder des kargen, harten Landlebens ein Augenschmaus. Aber nicht vergessen: nicht nur auf dem Land, auch in Hanekes Filmen gehen die Uhren anders. 144 Minuten dörfisches Depressionskino sind sicher nicht jedermanns Sache.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Das weisse Band – Eine deutsche Kindergeschichte Land: Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien Jahr: 2009 Regie: Michael Haneke Darsteller: Ulrich Tukur, Burkhart Klaußner, Christian Friedel, Josef Bierbichler Weitere Infos: IMDB, Amazon
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