A Page Of Madness
Wenn man diesen japanischen Streifen von 1926 irgendwie einordnen müsste, sollte es die Bezeichnung als experimentellen Stummfilm am ehesten richten. Es ist schwer, eine irgendwie geartete narrative Konsistenz auszumachen, auch weil komplett auf Texteinblendungen und deren eventueller Übersetzung verzichtet wurde. Stattdessen werden immer wieder kurze Einstellungen und Szenen zum vermeintlichen Hauptstrang gegengeschnitten, deren Sinn und Funktion sich bei einmaligem Sehen überhaupt nicht so richtig erschließt. Eine richtige Geschichte will “A Page Of Madness” zumindest scheinbar nicht erzählen, soll es vermutlich auch nicht. Man bekommt eher das Gefühl, einen Zustand zu sehen. Die meiste Zeit befindet man sich (wahrscheinlich- es gibt zumindest einige Indizien, die dafür sprechen) in einer Irrenanstalt, in der allerlei kuriose Gestalten ihr Dasein fristen und sich seltsam gebärden. Interpretation ist hier vielleicht das Schlagwort, das zum Verständnis des Films fallen muss. Vielleicht wäre eine mögliche Lesart des Films, dass dieser einen Kommentar zur damaligen gesellschaftlichen
Situation liefern wollte. Der seelische Zustand, in der diese sich befindet, ist alles andere als gesund und darüberhinaus auch äußerst fragil; schnell entsteht während des Films Chaos, ein wirres Handgemenge entfacht sich, weil einige dem Tanz einer Verrückten beiwohnen. Gegen Ende des recht kurzen Films (ca. 60 Minuten) sieht man einige Einstellungen von Straßenzügen: Keine Menschenseele ist vorhanden, es ist als wäre die gesamte Bevölkerung nur noch das Irrenhaus. Eine Bevölkerung, die ihren wahren Zustand jedoch später hinter Masken zu verstecken versucht. Das alles wurde in teils stimmigen Bildern festgehalten, doch was dem Film letztendlich eine noch intensivere wie abstraktere (und damit auch anstrengendere) Komponente hinzufügt, ist die (sprichwörtliche) wahnsinnige Musikuntermalung. Während noch zu Anfang ein recht schönes, traditionell angehauchtes Stück in den Film einführt, weicht dieses sehr schnell sehr unangenehmen, mal schrägen, mal vollends auf Percussion setzenden Tönen, die den Wahnsinn im Klang tragen und durch ihre gnadenlos repetitive Art auch den täglich immer wieder kehrenden Wahnsinn des Lebens in der Irrenanstalt reflektieren. Ein irrer Alltag, der im Chaos dann auch akustisch in wilder, ungezügelter, völlig unrhythmischer, eben chaotischer Percussion wiedergegeben wird. “A Page Of Madness” ist trotz der Kürze ein ungemein schwieriges und anstrengendes Werk, das jedoch einer gewissen, verstörenden Faszination nicht entbehrt. Eine filmische Herausforderung, deren Sinn nicht vollends ersichtlich ist und vielleicht eher assoziativ verstanden werden will.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: Kurutta ippêji Land: Japan Jahr: 1926 Regie: Teinosuke Kinugasa Darsteller: Masuo Inoue, Yoshie Nakagawa, Ayako Iijima Weitere Infos: IMDB
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