Der Inhalt von „Enter the Void“ wurde lange Zeit streng geheim gehalten. Lediglich ein paar Bilder, die eine lichtüberströmte Stadtmetropole und dunkle Menschen-Schatten zeigten, verrieten etwas über den Stil des neuen Noé-Films. Und das sah groβartig aus. Mittlerweile weiβ man, dass die moderne Riesenmetropole, die da abgebildet war, Tokio ist. Kurz vor der Cannes-Premiere seines Werks sprach der Filmemacher auch erstmals über „Enter the Void“. Wirklich schlau wird man daraus nicht, doch es hört sich auf jeden Fall aufregend an.
„Enter the Void“ sei eine (sehr) freie Interpretation des Tibetanischen Totenbuchs: ein 1200 Jahre altes buddhistisches Werk, das den Prozess des Sterbens und der Wiedergeburt in drei Zwischenzuständen beschreibt. Und man erfährt die groben Umrisse der Geschichte. Alles dreht sich um Oscar und Linda, Bruder und Schwester, die in Tokio leben und arbeiten: er als Drogendealer und sie als Stripperin. Nach dem brutalen Tod ihrer Eltern verspricht Oscar seiner kleinen Schwester, sich um sie zu kümmern und sie vor allem Bösen zu beschützen. Er wird von Nathaniel Brown gespielt, der in „Enter the Void“ sein Schauspieldebüt gibt, und sie wird von Paz de la Huerta verkörpert („Nail Polish“), die übrigens auch im neuen Jim-Jarmusch-Film „The Limits of Control“ zu sehen sein wird.
Doch als Oscar bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei angeschossen und schwer verletzt wird, spürt er, dass er bald sterben würde, und macht alles, was in seiner Macht steht, um das Versprechen einzuhalten, das er seiner Schwester gegeben hat. Klingt ziemlich episch und melodramatisch. Dafür spricht auch die Länge des Films von 163 Minuten.
Im Zentrum des Films steht Oscars Todeskampf, der nach dem Muster des Tibetanischen Todesbuchs in ein totales Chaos aus Albträumen, surrealen Visionen und psychedelischen Drogentrips ausartet. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fallen ineinander und alles wird aus der Ego-Shooter-Perspektive gezeigt. ^^^ Das klingt auf jeden Fall schon mal gut
Gaspar Noé, das „enfant terrible“ des französischen Kinos, setzte sich in allen seinen Werken mit den Untiefen der menschlichen Seele auseinander. In „Menschenfeind“, der Fortsetzung seines Kurzfilms „Carne“ (wurde 1991 als bester Kurzfilm in Cannes geehrt), wird der Inzest zwischen Vater und Tochter thematisiert, „Irréversible“ handelt von Vergewaltigung und Rache. „Enter the Void“ setzt sich nun mit einem anderen Grenzzustand der Menschen auseinander: der Liebe. Die Geschwisterliebe Oscars zu Linda, die ihn antreibt und seiner gesamten Existenz Sinn verleiht.
Gaspar Noés „Enter the Void“ (in etwa: „Das Betreten der Leere“) bietet also einen eigenartigen Mix: eine melodramatische Story, gepaart mit psychedelischen Halluzinationen, die auf uralten tibetanischen Lehren basieren, und das Ganze spielt sich vor der futuristisch anmutenden Kulisse der modernen Stadtmetropole Tokio ab. Wirr, unberechenbar und abgefahren.