Das Abenteuer
Bei der Premierenvorführung in Cannes wurde Michelangelo Antonionis “L’avventura” 1960 ausgebuht. Aus heutiger Sicht erscheint das grotesk, immerhin haben wir es hier mit einem (nicht nur) für das europäische Kino absolut bahnbrechenden Werk zu tun. Und doch andererseits auch nachvollziehbar, denn tatsächlich mutet der Film seinen Zuschauern einiges zu. Wo Hitchcock im zeitgleich entstandenen “Psycho” Neuland betrat, indem er seine vermeintliche Hauptdarstellerin Janet Leigh schon in der ersten Filmhälfte sterben ließ, geht Antonioni noch einen Schritt weiter. Bei ihm ist die anfangs zentrale Figur Anna (Lea Massari) auf einer geselligen Bootstour plötzlich spurlos verschwunden, vom Regisseur einfach so, ohne weitere Erkärung aus dem Geschehen genommen. Bei der gemeinsamen Suche nach der Vermissten kommen sich ihr Verlobter Sandro (Gabriele Ferzetti) und die beste Freundin Claudia (Monica Vitti) bald näher. Gleichzeitig schwindet ihre Motivation zusehends, die Suchaktion verläuft sich im Nirgendwo und schon bald ist Anna völlig vergessen – gerade so als hätte sie nie existiert. Natürlich ist Antonioni völlig desinteressiert an einem logischen Handlungsaufbau, sein Augenmerk gilt der Suche nach den Restspuren von Gefühlen in einer gefühllos gewordenen Welt. Und er ist ein wahrer Meister der indirekten Mitteilung: fast wortlos kommuniziert er seine Diagnose – durch Landschaften, Architekturen 
und beiläufig eingefangene Alltagsbelanglosigkeiten. “L’avventura” ist von einer Stimmung der Leere, der Ziellosigkeit und des Unbehagens durchzogen, der man sich auch als Zuschauer irgendwann nicht mehr entziehen kann. Doch das ist durchaus gewollt: diesen Film muss man fühlen, um ihn zu verstehen.
Zusätzliche Informationen zum Film
Originaltitel: L’avventura Land: Italien, Frankreich Jahr: 1960 Regie: Michelangelo Antonioni Darsteller: Monica Vitti, Gabriele Ferzetti, Lea Massari Weitere Infos: IMDB, Amazon
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